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Ort: Heidesheim und Wackernheim im Wandel der Zeit
Lokal • 27. Februar 2023

Heidesheim und Wackernheim im Wandel der Zeit

Historie, Gegenwart und Zukunft

Geschichte Heidesheims

Im Jahre 2012 feierte man in Heidesheim ein besonderes Jubiläum: Das Ort konnte auf eine Geschichte von 1250 Jahren zurückblicken. Zum ersten Mal wird der Ort im Jahr 762 in den Güterverzeichnissen des Klosters Lorsch erwähnt. Menschliche Besiedlung in diesem Raum dürfte aber schon viel früher stattgefunden haben. Davon zeugen Funde aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit, die belegen, dass der Ort schon damals besiedelt war. Als die Römer in die Region kamen, entstand in Heidesheim eine villa rustica, die bis zum Einfall der Germanen Bestand hatte. Dass der Ort von Bedeutung war, davon zeugen auch die Reste einer Wasserleitung, die zur Kaiserpfalz Karls des Großen nach Ingelheim führte. Anfang des 13. Jahrhunderts wurde die Burg Windeck errichtet, die einst von Wassergräben umgeben war und als Turmburg von Hardegen von Winterheim erbaut wurde. Die Anlagen des Sandhofes dienten als Zehnthof des Klosters Eberbach. Sicher ist auch, dass es eine Schlossmühle gegeben haben muss, die ab 1577 Sitz des Amtsmanns des Mainzer Erzbischofs in Heidesheim war.

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Als im Jahre 1859 die Ludwigsbahn in Betrieb genommen wurde, begann ein sozialer Aufstieg.

Geschichte Wackernheims

Vergleicht man die urkundliche Erwähnung, so dürfte Wackernheim sogar noch wenige Jahre älter sein als Heidesheim. Die erste Erwähnung findet sich im Jahre 754, in der eine Schenkung an das Kloster Fulda thematisiert wird. Seit 1200 ist der Name „Wackernheim“ in seiner heutigen Schreibweise überall dokumentiert. Im 14. Jahrhundert gehörte Heidesheim zu Kurmainz, Wackernheim aber zur Kurpfalz. Landesgrenzen trennten damals die beiden Nachbargemeinden. Landwirtschaftlich aber gehören beide Gemeinden eng zusammen – Obstanbau, Spargel und Wein prägten seit früher Zeit die Ortsbilder.

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Die Wackernheimer werden von ihrer Nachbargemeinde gerne als „die auf dem Berg“ bezeichnet, während umgekehrt die Heidesheimer von denen „die im Tal“ reden - die „Sandhasen“ (Heidesheimer) und die Wicke-Wacke“ (Wackernheimer).

Gegenwart

Am 01. Juli 2019 wurden die beiden Ortsgemeinden in die Stadt Ingelheim eingemeindet. Damit endete die Zusammengehörigkeit in der Verbandsgemeinde Heidesheim-Wackernheim. Was war diesem Prozess vorausgegangen? Bereits im Februar 2009 stellte der damalige Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz im Innenausschuss des Landtages die Eckpunkte der Kommunal- und Verwaltungsreform vor. Es ging dabei unter anderem um die Optimierung der Struktur der Verbandsgemeinden. Die „neue kommunale Landkarte“ sah die Fusion mit Nachbargemeinden vor. Bis zum Jahr 2019 sollte die Gebietsreform auf der Ebene der Verbandsgemeinden abgeschlossen sein. Die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger war explizit vorgesehen.

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Die Bürgerentscheide sprachen eine deutliche Sprache. Am 8. November 2015 sprach sich eine deutliche Mehrheit von 62,9% der Wackernheimer für einen Beitritt zu Ingelheim aus. Auch in Ingelheim trug der Bürgerentscheid den Wünschen der Stadtratsfraktionen Rechnung. Die Ingelheimer sprachen sich ebenfalls für die Eingemeindung mit Heidesheim aus. Und für die Heidesheimer stand von Anfang an fest, dass man mit Ingelheim fusionieren wolle.

Noch bevor das Fusionsgesetz im Landtag verabschiedet wurde, vereinbarten die Stadt Ingelheim und die VG Heidesheim/Wackernheim eine Zweckvereinbarung, die zwischen 2016 und 2018 eine schrittweise Übernahme von Verwaltungsgeschäften durch die Stadt Ingelheim vorsah. Für das Personal der Verwaltungen wurde ein „sozialverträglicher Übergang“ angestrebt – die Übernahme aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde garantiert.

Am 22. Juli 2016 wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Rheinland-Pfalz in § 1 festgehalten: „Das Gebiet der Verbandsgemeinde Heidesheim am Rhein mit ihren Ortsgemeinden Heidesheim am Rhein und Wackernheim wird zum 01. Juli 2019 in die Stadt Ingelheim am Rhein eingegliedert.“

2017 war man sich in der Kampagne der HCV-Sitzung über die Fusion mit Ingelheim einig: „Dann scheint nur noch die Sonne.“ Doch schon bald darauf gab es erhebliche Irritationen. Heidesheim und Wackernheim sollten sich den Beerdigungsgepflogenheiten der Stadt Ingelheim anpassen. Von „Expressbeerdigungen“ war die Rede, Zeremonie im Schnelldurchlauf, rennende Sargträger, gehetzte Pfarrer – so die Befürchtungen. Der Oberbürgermeister gestattete dann 29 Minuten, damit der Bauhof effizient arbeiten könne. Und Ruhe kehrte wieder ein.

In Ingelheim stellte man bei den Haushaltsberatungen Ende 2017 fest, dass „in Heidesheim und Wackernheim ein erheblicher Investitionsstau entstanden ist, der abgearbeitet werden muss.“ Spürbare Vorteile ergaben sich für die neuen Ingelheimer Stadtteile dadurch, dass die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer angeglichen werden sollten. Da die Ingelheimer deutlich weniger zahlen, entschied der Stadtrat im März 2018, die Steuern nach der Fusion anzupassen.

Auch im Februar 2019 war man in der Sitzung des Heidesheimer Carneval Vereins wieder positiv im Hinblick auf die Eingemeindung: „Möge Gott Jokus uns begleiten in wunderbare Zeiten“, formulierte Sitzungspräsident Stephan Schmidt. Und dann war es endlich soweit: die Heidesheimer feierten ihr Abschiedsfest am 29. Juni auf dem Rathausplatz und in Wackernheim stieg die Party am 30. Juni auf dem Dorfplatz. Die Ingelheimer feierten das „Eingemeindungsfest“ am 17. August mit einem Konzert und viel Programm. Als Andenken an die Ortsgemeinden wurden die Ortseingangsschilder in Heidesheim und Wackernheim regelmäßig geklaut, bis man sich schließlich entschloss, Miniaturausgaben zum Verkauf anzubieten. Nachdem die Souvenirjäger befriedigt waren, konnten die neuen Ortsschilder in großen schwarzen Lettern angebracht werden.

Zukunft

Mit den neuen Stadtteilen hat sich die Einwohnerzahl von Ingelheim um ca. 10.000 Personen auf jetzt ca. 36.000 vergrößert. Auch der Flächennutzungsplan muss durch die Fusion bis 2025 neu aufgestellt werden. Heidesheimer „Altlasten“ wie die Burg Windeck, die Alte Markthalle und der Schönborner Hof sind bereits abgeschlossen oder in Bearbeitung. Die Verwaltung braucht mehr Platz, so dass kein Weg an der Erweiterung des Rathauses vorbeiführt. Die Bauarbeiten sind in vollem Gange. Klar ist auch, dass vieles, was die Gemeinden Heidesheim und Wackernheim nicht alleine stemmen konnten, jetzt realisiert werden kann. Dennoch sprechen die Wackernheimer immer noch liebevoll von sich als einem „Bergdorf“. Übrigens: Der Ortsvorsteher heißt „ Dieter Berg“.

In Heidesheim kocht derweil die Volksseele. „Werden wir zur Ingelheimer Satellitenstadt“, fragt Ratsmitglied Martin Weidmann, und knüpft dabei an die schwelende Diskussion um die Planung neuer Wohnungen auf dem Gelände der ZOAR an. In den Heidesheimer Höfen soll ein neues Wohnquartier zusammen mit der WBI (Wohnbaugesellschaft Ingelheim) entstehen. Eine Bürgerinitiative hat sich bereits gegründet und kritisiert die „massive und wuchtige Bauplanung“. Stadtentwicklung, Flächennutzungsplan, Kulturkonzept, Energieversorgung, Verkehrsplanung – alles Themen, die die Zukunft der Stadt bestimmen werden. Und Heidesheim und Wackernheim gehören natürlich dazu.

Quellenangaben: „Die Festschrift“, Heidesheim 1250 Jahre, Herausgeber Gemeinde Heidesheim Allgemeine Zeitung, Ausgabe Bingen-Ingelheim

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