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Gemüse & Obstfibel • 24. Oktober 2017

Topinambur: eine Knolle für die Ewigkeit

Die Geschichte, wie die Topinambur nach Europa kam, ist wahrlich filmreif: Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gerieten französische Auswanderer in den Wäldern Kanadas in eine Hungersnot. Die essbaren, unterirdischen Knollen einer ihnen unbekannten Pflanze rettete den Siedlern schließlich das Leben. Sie schickten ein paar Exemplare der Knollen nach Europa, wo sie 1612 in Paris nach dem brasilianischen Indianervolk der Tupinambá benannt wurde, das mit einer Delegation gerade zu Besuch war. Auch der Vatikan erhielt ein paar Knollen, dort taufte man die Wunderpflanze auf den Namen Girasole articiocco, was Sonnenblumen-Artischocke bedeutet. Im englischsprachigen Raum wurde daraus die Jerusalem-Artischocke.

Mit der Bezeichnung Sonnenblumen-Artischocke lagen die päpstlichen Gärtner botanisch betrachtet goldrichtig. Denn tatsächlich gehört Topinambur (Helianthus tuberosus) zur selben Gattung wie die Sonnenblume (Helianthus annuus). Da für die Ernährung ausschließlich die Sprossknolle verwendet wird, zählt sie zu den Wurzelgemüsen. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der alten indianischen Kulturpflanze ist vermutlich in Mexico zu suchen. In Europa, speziell in Frankreich, etablierte sich Topinambur schnell als Nahrungsmittel.

Die Schnapskartoffel

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Im Verlauf des 18. Jahrhunderts verdrängte jedoch die herkömmliche Kartoffel die süßlichen Knollen der Topinambur als Nahrungsmittel. Im 19. Jahrhundert wurde sie hauptsächlich als Futtermittel angebaut. Es haben sich im Sprachgebrauch jedoch noch zahlreiche Namen erhalten, die auf die Anfänge der Topinambur verweisen, etwa Erdapfel oder Erdbirne, Jerusalem-Artischocke oder Erdartischocke, Erdsonnenblume, Erdtrüffel und Indianerknolle. Mancherorts heißt sie auch Schnapskartoffel – aus den Knollen wurde schon früh Schnaps gebrannt. Ein weitere Name der Topinambur spielt auf ihren Nährwert an: Ewigkeitskartoffel wird sie manchmal auch genannt, denn Topinambur-Knollen enthalten viele wichtige Vitamine wie Karotin, B1, B2, B6, C, D, Nicotinsäure und Biotin. Außerdem hat Topinambur einen sehr hohen Kaliumgehalt (400 - 800 mg / 100g), der sogar über dem von Bananen liegt.

Unterstützung bei Diabetes

Noch bekannter ist Topinambur aber wegen eines anderen Inhaltsstoffes: Die Knollen enthalten rund 16 Prozent Kohlenhydrate, die in Form des langkettigen Zuckerstoffes Inulin vorliegen. Dieser Mehrfachzucker kann nicht verdaut werden, weil die dafür notwendigen Enzyme im Körper nicht vorhanden sind. Im Darm wirkt die Indianerknolle daher zunächst als Ballaststoff, der Blutzuckerspiegel steigt kaum an und das Inulin hemmt so das Hungergefühl. Aufgrund dieser Wirkung wird Topinambur schon seit 1922 bei der Behandlung von Diabetes eingesetzt. Auch heute nutzt man die positiven Eigenschaften der Pflanze, etwa in der Homöopathie als Mittel zur Gewichtsreduktion.

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So positiv die Pflanze medizinisch sein mag, ökologisch betrachtet ist Topinambur nicht unproblematisch: Die Pflanze ist ein Neophyt (Einwanderer), der in Mitteleuropa häufig verwildert und heimische Pflanzen verdrängt, da er außer Wühlmäusen und Wildschweinen kaum Fressfeinde besitzt. Wer Topinambur im Garten hat, sollte daher Wurzelsperren (Rhizomsperren) verwenden, um die Verwilderung zu vermeiden. In der Küche ist Topinambur sehr vielseitig, die Knolle kann roh, in Salzwasser gekocht oder, ähnlich wie Kartoffeln, auch frittiert werden.

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