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Lokal • 17. Oktober 2023

Netzwerkkonferenz im Kreistagssaal thematisiert Gewalterfahrungen in Familien

Vorbeugen, erkennen, aufarbeiten: Gewalterfahrungen im familiären Kontext können negative Folgen auf die Entwicklung von Kindern haben. Aber nicht nur die Gewalterfahrungen als solche beeinflussen das Aufwachsen der betroffenen Kinder, sondern auch die Art und Weise des Umgangs damit. Mit notwendigen und geeigneten Schutzvorkehrungen im Sinne eines guten, an den kindlichen Bedürfnissen orientierten Kinderschutzes, beschäftigten sich rund 160 Teilnehmende bei einer Netzwerkkonferenz des Mainz-Binger Jugendamtes im Ingelheimer Kreistagssaal. Unter ihnen waren Akteurinnen und Akteure aus den Bereichen der Frühen Hilfen, der Kinder- und Jugendhilfe, der Familienbildung, der Polizei sowie des Gesundheitswesens.

Konsens herrschte darüber, dass Gewalterfahrungen von Kindern sehr unterschiedlich in ihrer Art und Auswirkung sind. Das Spektrum reicht von körperlicher Gewalt wie einer Ohrfeige bis hin zu schweren körperlichen Misshandlungen, physischer Gewalt in Form von demütigenden Äußerungen, Vernachlässigung als Unterlassung fürsorglichen Handels, aber auch sexualisierter Gewalt von unangemessenen Berührungen bis hin zu gewaltsamen Handlungen. „So unterschiedlich diese Erfahrungen sind, so unterschiedlich sind auch die Hintergründe und Konflikte, die zu solchen Erfahrungen führen. Eltern können durch persönliche Schwierigkeiten überfordert sein, durch physische oder psychische Erkrankungen oder traumatische Erlebnisse“, erklären Jana Muckelmann und Odmandakh Ganzorig aus dem Jugendamt. Die beiden Netzwerkkoordinatorinnen hatten die Veranstaltung federführend organisiert. Fest steht jedenfalls: Selten gibt es einfache Erklärungen dafür, wenn Beziehungen in Familien entgleisen.

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Auch die Folgen von Gewalterfahrungen sind unterschiedlich. Wesentlich ist jedoch, dass das Vertrauen erschüttert ist und das beeinflusst sowohl die physische als auch psychische Gesundheit der betroffenen Kinder. Gerade deshalb sei wichtig, dass es Lebensbedingungen gibt, die eine Verarbeitung solcher Erfahrungen ermöglichen. Hier spielt insbesondere auch die Haltung und Fachkompetenz der fallverantwortlichen Fachkräfte sowie die Kooperation innerhalb des Helfersystems eine wichtige Rolle. „Ein guter Kindesschutz braucht starke, verlässliche Netzwerke. Hierzu möchte die heutige Netzwerkkonferenz einen Beitrag leisten“, so Landrätin Dorothea Schäfer im Kreistagssaal. „Wir müssen uns stark machen“, halten auch Jana Muckelmann und Odmandakh Ganzorig fest.

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Das Gewalt und Spannungen aktuell zunehmen, berichtete Prof. Dr. Mériem Diouani-Streek in ihrem Fachvortrag. Sie ist Diplom-Pädagogin, Entwicklungspsychologische Beraterin und Therapeutin und derzeit Vertretungsprofessorin an der Frankfurt University of Applied Sciences. Zuvor war sie sechs Jahre Leiterin der Beratungsstelle im Deutschen Kinderschutzbund Frankfurt und weiß daher als Praktikerin und insoweit erfahrene Fachkraft (InsoFa), wie anspruchsvoll und wichtig eine differenzierte Einschätzung der Gefährdungslage ist. Man müsse genau hinschauen und dabei die aktuelle Situation des Kindes in den Blick nehmen. Denn anders als in hochsensiblen Kinderschutzfällen reiche es in den meisten Fällen aus, die Familien mit geeigneten Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe zu unterstützen. Dabei gilt es, gemeinsam mit den Eltern wertschätzend Lösungen zu erarbeiten, um eine drohende Kindeswohlgefährdung abzuwenden, so die Referentin. Handlungsleitend für die pädagogischen Fachkräfte sollte in jedem Fall die Bedeutung eines tragfähigen Beziehungsangebots sein. Denn „nur ein individueller, verstehender Zugang zum Kind in einer tragenden, genügend guten emotionalen Beziehung kann das Fundament einer später resilienten Entwicklung für gefährdete Kinder legen“, so ein vorgetragenes Zitat der Psychoanalytikerin Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber aus dem Fachvortag. Daher könne die Veranstaltung auch als eine Ermutigung an alle Anwende verstanden werden, sich ihrer eigenen Fachlichkeit zu vergewissern und ihr professionelles Handeln an den Bedürfnissen des Kindes zu orientieren, so der Appell der Referentin.

Ebenso bot die Konferenz Gelegenheit zum fachlichen sowie persönlichen Austausch der Teilnehmenden. Hierzu gab es einen „Markt der Möglichkeiten“ mit zahlreichen Ständen – darunter die vier Erziehungs- und Familienberatungsstellen im Landkreis, das Kinderschutz-Zentrum Mainz, das MädchenHaus Mainz, der Frauennotruf Mainz, der Verein Frauen helfen Frauen und die Frühen Hilfen. Ebenso mit einem Stand vertreten war die Beratungsstelle für Familien mit psychisch erkranktem Elternteil „zebra“ der Sozialtherapeutischen Beratungsstelle/Betreuungsverein, einem neuen Angebot in Bingen. An den verschiedenen Ständen konnten die Teilnehmenden Infomaterial über die einzelnen Institutionen und Angebote sammeln und sich so noch stärker untereinander vernetzen.

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Die Netzwerkkonferenz fand auf Basis des rheinland-pfälzischen Landeskinderschutzgesetzes statt. Ziel ist es demnach, ein Netzwerk von lokalen und interdisziplinären Netzwerken aufzubauen, um das Kindeswohl zu fördern und den Kinderschutz zu verbessern. Die Konferenz bildet den Abschluss einer Veranstaltungsreihe – so gab es 2023 im Landkreis bereits drei „Runde Tische“ zum Thema Gewalterfahrungen im familiären Kontext.

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