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Lokal • 24. Februar 2023

Kulturstadt Ingelheim ausbauen

Interview mit Matthias Becker, Geschäftsführer der Ikum

Herr Becker, wie geht es Ihnen jetzt im dritten Jahr Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer der Ikum?

Mein Vertrag läuft fünf Jahre, ich bin jetzt also in der Halbzeit. Wobei mein Vertrag eine Probezeit von einem Jahr vorsieht. Jetzt kommt man in eine Kreativitätsphase, sortiert sich, räumt auf. Wie es mir geht? Mir geht es anders. Ich bin ja vom Studium direkt in die Selbstständigkeit gegangen. Ich verstehe die Leute hinter und vor der Bühne. Ich habe Elektrotechnik studiert, spiele heute als Kirchenmusiker noch Orgel in der Kirche in Ober-Olm. Ich wollte eigentlich Musiker werden, war auf der Musikschule in Frankfurt, aber mit Mozart lief die Aufnahmeprüfung nicht. Und dann sollte ich in einem Jahr wieder kommen, das war mir zu lange, und so studierte ich dann Elektrotechnik. Dann kam ich an das Theater nach Mainz, in die Musicalszene, wo ich als freischaffender Techniker mit Hintergrund Musik arbeiten durfte. Jetzt komme ich als freier Mensch in die Unfreiheit der Bürokratie der Ikum – die schön ist – andere machen Termine für einen, was gewöhnungsbedürftig ist. Aber es macht Spaß, weil es ein gutes Team ist.

Welches Ziel verfolgen Sie bei Ihrer jetzigen Aufgabe?

Die Leute müssen immer lachender aus der Vorstellung herausgehen als sie hineinkamen. Und es hat nichts damit zu tun, ob es uns gefällt – darum geht es nicht. Der auf der Bühne muss sich wohlfühlen, wir müssen ihn so unterstützen, dass er authentisch ist, bei sich bleibt, und wir müssen den Rahmen so gestalten, dass der Funke überspringen kann. Jedes Detail ist dabei wichtig – das fängt an bei der Security, die die Leute freundlich empfangen sollen, bei der Raumtemperatur, bei dem Zustand der Toiletten – und das Team schafft das. Deshalb fühle ich mich eigentlich gut. Das Wort „eigentlich“ schränkt das zwar etwas ein, aber das hat mit mir zu tun, weil ich Freiheit liebe.

Wie äußert sich denn das Ausleben der Freiheit?

Ich bin flexibel. Für mich sind Regeln keine Regeln. Das ist zwar etwas unkalkulierbar, aber genau das macht Spaß. Wir wollen in Ingelheim Nischen besetzen, die z.B. die Vereine nicht besetzen. Lass uns Dinge machen, an die sich vielleicht sonst keiner ran traut.

Was heißt das für den Kulturauftrag für die Stadt Ingelheim?

Wir wollen Selbstwertgefühl erzeugen, auch die Stadtteile integrieren. Wir liefern Kunst, die sonst keiner bedient.

Was war der Anreiz zu sagen, ich möchte diese Aufgabe bei der Ikum übernehmen?

Oh … was war der Anreiz? Ich sehe einen gesellschaftspolitischen Auftrag, als Dienstleister hat man die Aufgabe, Ideen umzusetzen. Mit der Erfahrung, die ich habe, war es eine Möglichkeit, meiner Entwicklung noch einmal eine andere Farbe zu geben, einen anderen Weg einzuschlagen. Es geht dabei weniger um Selbstverwirklichung, sondern darum, was Ingelheim gebrauchen kann. Sie sind hier in der Stadt mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert.

Wie kommen Sie damit zurecht?

Das ist easy. Der Auftrag der Ikum ist, die Bälle in der Luft zu lassen. Die Herausforderung ist, sich immer wieder auf Neues einzulassen. Das ist mir nicht fremd. Man hat den Respekt vor der Aufgabe, vor der Verschiedenartigkeit der Aufgabe – aber keine Angst. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Herausforderungen lösen.

Ich nehme an, dass jeder Tag verschieden ist. Wann beginnt Ihr Tag?

Meistens um 6.30 / 7.00 Uhr und endet um 24.00 Uhr. Wenn sie in der kreativen Ecke tätig sind, können sie das Denken nicht abschalten. Es gibt auch Tage, wo man um 18.00 Uhr fertig ist. Auch das Wochenende ist eingeplant. Unsere freien Tage sind der 1. Feiertag und Karfreitag. Das Problem ist, dass es einem Spaß macht. Die Familie macht da mit, wir sind da hineingewachsen.

Sie sind darüber hinaus ja auch noch kommunalpolitisch tätig. Ja, ich bin in Ober-Olm Bürgermeister. Deshalb kommen auch so viele Stunden Arbeitszeit zusammen. Die kommunalpolitische Erfahrung hilft mir auch bei der Arbeit in der Ikum. Seit 1989 bin ich im Rat der Gemeinde Ober-Olm, seit 2014 Beigeordneter und seit 2018 Bürgermeister.

Herr Becker, Sie sind noch nicht 60 Jahre alt. Und der Vertrag läuft noch zwei Jahre. Darf ich davon ausgehen, dass Sie den Vertrag noch einmal 5 Jahre verlängern wollen?

Das ist mir relativ egal. Wenn der Aufsichtsrat das möchte, mache ich das noch einmal. Ich habe viele Ideen, die man in Ingelheim gut umsetzen kann. Es macht mir Spaß. Wir haben Ideen, dass wir eine Struktur für die Stadt entwickeln können, die touristisch und kulturell geprägt ist. Wir wollen Ingelheim kulturell eine Identität geben. Welche Vision haben Sie angesichts der finanziell begrenzten Ressourcen der Stadt? Es ist schade, dass wir aus der Pandemie nicht die Erkenntnis mitgenommen haben, dass wir ohne Kultur nicht können. Das ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier. Ich lasse lieber zwei Busse weniger fahren, bevor ich Kultur streiche. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir den Kindern sagen, was Kultur ist. Die Gesellschaft verliert sich selbst, wenn wir die schönen Künste aufgeben. Wir müssen den Geist befruchten.

Abschließend, welchen Wunsch haben Sie für die Zukunft? (Lacht) …. Dass wir uns in Ingelheim gemeinsam ein Motto geben, das dazu führt, dass wir in einem Jahr einen Schwerpunkt setzen. Wir bündeln Ideen und im Jahr danach kommt ein anderes Thema in den Focus. Herr Becker, ich danke Ihnen für dieses Interview.

Das Interview führte Helga Lerch. Ingelheimer Marktplatz bedankt sich bei Matthias Becker

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