Karl der Große - fränkischer Usurpator oder römischer Kaiser?
Vortrag beleuchtet Verhältnis zwischen Frankenreich und Byzanz im Frühmittelalter
Die Forschungsstelle Kaiserpfalz der Stadt Ingelheim und das Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) laden zu einem öffentlichen Vortrag ein: Am Mittwoch, 19. November um 20 Uhr widmet sich PD Dr. Laury Sarti von der Universität Heidelberg im Ingelheimer Weiterbildungszentrum (WBZ) dem Thema „Der fränkische Westen und Byzanz. Neue Perspektiven auf ihre imperialen Verflechtungen“. Der Vortrag gehört zum Rahmenprogramm der Fachtagung „Frühmittelalterliche Herrschersitze und der Süden. Überregionale Kontakte und vielfältige Einflüsse“, die vom 19.–21. November im WBZ stattfindet. Die Forschungsstelle Kaiserpfalz und das LEIZA versammeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher historischer Disziplinen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und der Schweiz in Ingelheim, um sich über neue Erkenntnisse der Mittelalter-Forschung auszutauschen.
Reger Austausch zwischen Byzanz und dem Frankenreich
In ihrem Vortrag beleuchtet Laury Sarti das vielschichtige und komplizierte Verhältnis der fränkischen Herrscher zum Kaiserreich im Südosten, die sich beide als Erben des antiken Römischen Reiches verstanden. Nach der Kaiserkrönung Karls in Rom im Jahr 800 kam es zu politischen Spannungen und Auseinandersetzungen im Balkangebiet und in Venetien. Sie wurden 812 im Frieden von Aachen beendet. Was die in Aachen durch Gesandte aus Konstantinopel übermittelte Anerkennung Karls durch Kaiser Michael I. als imperator und basileus bedeutet, ist in der Forschung umstritten. Eine immer noch gängige Auffassung von 1929 sieht darin lediglich einen „Scheinerfolg“. Aber sollte es Karl wirklich gelungen sein, sich von Byzanz als rechtmäßiger Nachfolger der weströmischen Kaiser anerkennen zu lassen, wie Laury Sarti argumentiert, wäre das ein bemerkenswerter diplomatischer Erfolg gewesen. Sicher ist, dass es intensive Kontakte gab, was sechs fränkische und dreizehn byzantinische Gesandtschaften während Karls Regierungszeit belegen. Schon der merowingische König Chlodwig I. wurde vom byzantinischen Kaiser Anastasius mit kaiserlichen Ehren anerkannt und legte auch durch die Taufe zum katholischen Glauben den Grundstein für die Sonderstellung, die die Franken Sarti zufolge am Hof von Konstantinopel noch in der Karolingerzeit besaßen.
Die fränkischen Herrscher lernten Griechisch
Im zweiten Teil des Vortrags wird der kulturelle Austausch im karolingischen Reich näher untersucht. Insbesondere am Hof Karls des Großen bestand ein begrenzter Zugang zur griechischen Sprache, die, so Sarti, einerseits an den Herrscherhöfen vereinzelt mündlich unterrichtet wurde und andererseits als Schriftsprache anhand von griechischen Handschriften, Glossaren und zweisprachigen Texten in den Klöstern Reichenau und St. Gallen für wenige Gelehrte zugänglich war. Aus den Quellen geht hervor, dass Karls Tochter Rothrud von byzantinischen Lehrern unterrichtet wurde. Auch Gelehrte wie Einhard waren mit der griechischen Sprache zumindest geringfügig vertraut.
Der Vortrag lädt dazu ein, die zugrundeliegenden Quellen kritisch neu zu lesen und das Selbstverständnis der Karolinger als Teil einer gemeinsamen römisch-imperialen Welt neu zu überdenken. Er bietet damit eine spannende Gelegenheit, die byzantinischen Spuren in der Herrschaft Karls des Großen zu entdecken.
Auch interessant
„Kerr hat zweimal geläschelt“: 100 Jahre „Der Fröhliche Weinberg“ Geschichte am Mittag – Kurzvortrag im Museum bei der Kaiserpfalz Vor 100 Jahren wurde in Berlin Carl Zuckmayers Lu...








