Sieben Jahre, zwei Mauern, ein Buch: Forschungsprojekt abgeschlossen
Forschungsprojekt zu den Ingelheimer Ortsbefestigungen mit Buchpublikation abgeschlossen
Nach sieben Jahren gemeinsamer intensiver Forschung haben die Forschungsstelle Kaiserpfalz der Stadt Ingelheim und die TU Darmstadt (Fachgebiet Klassische Archäologie im Fachbereich Architektur) die Ergebnisse ihrer erfolgreichen Kooperation vorgelegt: Die Publikation "Die Ortsbefestigungen von Ober-Ingelheim und Großwinternheim" stellt die bislang umfassendste Gesamtbetrachtung der beiden mittelalterlichen Ortsbefestigungen dar. Im Falle von Großwinternheim handelt es sich um die erste vollständige Rekonstruktion des Bauwerks überhaupt. Die Ober-Ingelheimer Wehrmauer wurde zuletzt von dem Kunsthistoriker Christian Rauch vor fast 100 Jahren untersucht. Das Buch eröffnet zugleich die neue populärwissenschaftliche Reihe Kulturdenkmäler der Stadt Ingelheim am Rhein, die von Bürgermeisterin Eveline Breyer und Forschungsstellenleiter Holger Grewe herausgegeben wird. Die Reihe soll in den kommenden Jahren neben der Pfalz noch weitere historische Orte in den Blick nehmen und den Reichtum des historischen Kulturerbes der Stadt unterstreichen.
Zu den größten kulturellen Schätzen Ingelheims zählen ohne Zweifel die erhaltenen Mauern der beiden Ortsbefestigungen mit ihren Toren, Türmen und Gräben aus dem 14. Jahrhundert, deren Erforschung die Herausgeberinnen und Herausgeber des Bandes ab 2017 in Angriff nahmen: Clemens Brünenberg, Matylda Gierszewska-Noszczyńska, Judith Ley, Piotr Noszczyński und Katharina Peisker begannen zunächst gemeinsam mit mehr als hundert Studierenden der TU Darmstadt mit detaillierten Bestandsaufnahmen der beiden langen Bauwerke – die Ober-Ingelheimer Mauer war 2.100 Meter, die Großwinternheimer 965 Meter lang. Besonders gut erhalten ist die Ober-Ingelheimer Ortsbefestigung, bei deren Untersuchung auch auf die Bauaufnahmen von Jutta Hundhausen zurückgegriffen werden konnte, die vor der Sanierung des Uffhub- und des Ohrenbrücker Tores in den Jahren 2009 und 2010 entstanden. Zur Rekonstruktion der Großwinternheimer Anlage war hingegen einige Detektivarbeit vonnöten. Dank der Beteiligung der TU Darmstadt konnten für die Dokumentation der erhaltenen Teile aktuelle technische Verfahren wie Laserscanning und Structure from Motion (SfM) eingesetzt werden. Dadurch war es möglich, in die digitale Ausstellung https://www.ortsbefestigung3punkt0.de, die 2020/2021 einen Zwischenstand der Forschungen präsentierte, interaktive Modelle und Drohnenflüge zu integrieren.
Herzstück des Buches ist ein erzählender Textteil zu Bestand, Baustelle, Funktion und Zeitgeist der Ortsbefestigungen. Die auch für Leserinnen und Leser mit geringen Vorkenntnissen gut verständlichen Passagen öffnen ein Fenster in die Zeit des ausgehenden Mittelalters in Ingelheim und machen den Band zu einem im besten Sinne populärwissenschaftlichen Buch. Zahlreiche Bildtafeln mit detailgenauen Plänen der erhaltenen Baureste sowie insgesamt 518 Farb- und 145 SW-Abbildungen – darunter erstmals veröffentlichte Fotografien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts unter anderem aus dem Bildarchiv Peter Weiland – veranschaulichen die Untersuchungsergebnisse. Eine Zusammenfassung, die die besondere Bedeutung der beiden Ortsbefestigungen unterstreicht, rundet diesen Teil ab. Als wissenschaftliche Datenbank im Anhang dient ein Bauteil-Katalog, der die wesentlichen Fakten zu den Mauern, Türmen, Toren und Gräben beinhaltet. Ergänzt wird der Katalog durch eine umfangreiche Schriftquellensammlung mit Erwähnungen der Ortsbefestigungen vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, die vor allem Hartmut Geißler (Historischer Verein Ingelheim e.V.) beigetragen hat.
„Das Besondere an dem Buch“, da sind sich die Herausgebenden einig, „ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fachrichtungen Archäologie, Bauforschung und Geschichtswissenschaften. Wenn man Ergebnisse gemeinsam diskutiert, lassen sich unstimmige Annahmen deutlich leichter korrigieren.“ Außerordentlich wertvoll waren auch der Austausch mit Nadine Gerhard und Peggy Meenzen (Ingelheimer Stadtarchiv), den in den Denkmälern lebenden Menschen, Geschichtsinteressierten und Sammelnden. Das große Gemeinschaftswerk mit 496 Seiten kostet 49,95 Euro und ist ab sofort im Buchhandel, direkt beim Imhof-Verlag oder im Museum bei der Kaiserpfalz und in der Touristinformation im Winzerkeller erhältlich.
Vormerken: Die Publikation „Die Ortsbefestigungen von Ober-Ingelheim und Großwinternheim“ wird am Dienstag, 23. September 2025, um 19.30 Uhr in der Ober-Ingelheimer Burgkirche offiziell präsentiert.
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